Orgeln

Tangermünde, St. Stephan (Scherer 1624 III/34)

Kirche 1184/88 gestiftet für ein geplantes Bistum, später Hauptpfarrkirche, 1377 dem Augustiner-Chorherren-Stift auf der Burg unterstellt, dieses 1538 mit der Reformation aufgelöst. Neubau des Kirchenschiffs ab 1376, Langhaus um 1400 fertig. Turmfront um 1430/40 bis um 1500 (Nordturm mit Turmhaube von 1712), Hallenumgangschor 1470 – um 1500. Kirche 1617 ausgebrannt. Kanzel 1619. Seitenemporen 1720 erneuert. 1844 Erneuerung des Innenraumes.

Scherer 1624 III/34

Der Orgelbau soll nach dem Stadt- und Kirchenbrand 1617 von der Hanse-Schwesterstadt Hamburg finanziert worden sein. Hans Scherer d. J. aus Hamburg zählt zu den bedeutendsten und richtungweisenden Orgelbauern der Spätrenaissance und prägte maßgeblich jenen typischen Aufbau norddeutscher Orgeln bis weit in den Barock hinein, den „Hamburger Prospekt“: In der Mitte oben das „Werk“ (Oberwerk), darüber das Oberpositiv (bei Scherer nicht im Prospekt sichtbar), davor in der Brüstung das Rückpositiv, seitlich in zwei frei stehenden Türmen das Pedalwerk. Der niederländischen Orgelbauschule Hendrik Niehoffs folgend sind Oberwerk und Oberpositiv klanglich aufeinander bezogen (quasi wie ein aufgeteiltes großes Werk), die Zungenregister und Solofarben stehen im Oberpositiv, die großen Principalchorregister (stilistisch aus dem früheren Blockwerk hervorgegangen) im Oberwerk. Deshalb ist die einzige Koppel genau zwischen diesen beiden Werken.
Die Tangermünder Orgel unterlag zahlreichen Instandsetzungen (u. a. 1710–16 durch Elias Wernitz und Joh. Michael Röder) und Umbauten: 1796 durch Joh. Gottfried Zabel, Tangermünde (neue Windladen und Trakturen für HW und OW, neue Manualklaviaturen), 1856–58 durch Fr. H. Lütkemüller (neue Windladen und Trakturen für RP und P, neue Klaviaturen, durchgreifende hochromantische Umdisposition mit 15 neuen Registern, 6 neue Keilbälge). 1930 Veränderungen durch Furtwängler & Hammer mit Einbau eines Schwellkastens. Bei der Restaurierung durch A. Schuke, Potsdam, bis 1994 waren neben dem Gehäuse rund 50% der Pfeifen aus 27 Registern noch original.
Die Orgel gehört heute zu den bedeutendsten und besterhaltenen norddeutschen Werken am Übergang von Renaissance zu Frühbarock. Ihr würdevolles großes 16′-basiertes Pleno und die Farbigkeit der Einzelstimmen in Verbindung mit der mitteltönigen Stimmung machen die Reize dieser außergewöhnlichen Orgel aus. 2019 konnten Spuren im Rückpositiv eindeutig gedeutet werden als zwei Zungenregister auf einer hochgebänkten Oberlade, die von A. Schuke rekonstruiert wurden, sechs Keilbälge, Winddruck 75 mmWS. Schleifladen, mechanische Trakturen. Stimmton 486 Hz, mitteltönig nach Praetorius. III/34, ** größtenteils Scherer, * teilweise Scherer.

I. RückPositiff CDEFGA–c3
Principal (ab H 2fach)** . 8´
Gedact * . . . . . . . . . . . . . . 8´
Quintadeen . . . . . . . . . . . 8´
Octava ** . . . . . . . . . . . . 4´
Holflöit ** . . . . . . . . . . . . 4´
Zifelit * . . . . . . . . . . . 1 1/2´
Scharp 3–6f. *
Mixtur 2–4f. *
Krumbhorn . . . . . . . . . . . 8´
MessingRegal . . . . . . . . .  8′

II. OberWerck CDEFGA–c3
Principal ** . . . . . . . . .  16´     C–E mit Quintadeen 16´ 
Quintadeen ** . . . . . . . 16´
Octava ** . . . . . . . . . . .  8´
Gedact ** . . . . . . . . . . .  8´
Flöite ** . . . . . . . . . . . .  4´
Ruspipe 2f. *
Scharp 3–5f. *
Mixtur 5–8f. *

III. OberPositiff CDEFGA–c3
Principal ** . . . . . . . . . . . 8´
Holpipe * . . . . . . . . . . . .  8´
Flöite . . . . . . . . . . . . . . . . 4´
Nasath * . . . . . . . . . . . . . 3´
Waltflöit * . . . . . . . . . . . . 2´
Zimbel 3f.
Trommete ** . . . . . . . . . 8′
Zincke (ab f°) . . . . . . . . .  8´

Pedal CDEFGA–d1
Principal ** . . . . . . . . . .  16´
Untersatz ** . . . . . . . . .  16´
OctavenBaß ** . . . . . . . .  8´
FlöitenBaß ** . . . . . . . . .  4´
RuspipenBaß 2f. *
BassunenBaß * . . . . . . .  16´
TrommetenBaß ** . . . . . . 8´
CornettenBaß . . . . . . . . .  2′

Manualschiebekoppel III/II
Tremulant
4 Sperrventile